Homeoffice verweigern - oder gibt es eine Pflicht?

Gibt es eine Homeoffice-Pflicht? Kann ich das Homeoffice verweigern?

In den letzten zweieinhalb Jahren hat die Pandemie einiges in unserem Alltag verändert – und auch im Berufsleben. Wenn möglich, sollten Mitarbeiter, die ihren Job zuhause ausüben kommen, auch von dort arbeiten – um Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen und zur Kontaktreduzierung beizutragen. Mittlerweile sind die Corona-Maßnahmen gelockert – doch im Berufsalltag wird das Homeoffice für viele, zumindest teilweise, erhalten bleiben. In diesem Artikel – Teil 3 unserer Reihe zum Homeoffice – erfahren Sie, ob es eine Pflicht für das Homeoffice gibt – oder ob Sie das Arbeiten in den eigenen vier Wänden auch verweigern dürfen.

Hier schreibt: Steffen Hahn, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Viersen.

Kurze Zusammenfassung von Teil 1:
Gibt es ein Recht auf Homeoffice?

Zeitweise gab es im Rahmen der Pandemiebekämpfung eine Pflicht für das Arbeiten im Homeoffice. Für mehrere Monate galt:

„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“

28 Abs. 4 IfSG, bis 19. März 2022 gültig

Für Arbeitnehmer, deren berufliche Tätigkeit sich also für das Arbeiten im Homeoffice eignet und keine wichtigen Gründe dagegenstehen, galt also eine Homeoffice-Pflicht. Seit dem 20. März 2022 ist diese Regelung nicht mehr gültig, das bedeutet: Eine Homeoffice-Pflicht besteht Stand Juli 2022 nicht mehr. Das bedeutet aber auch, dass die Arbeitnehmer aktuellkein Recht auf Homeoffice mehr haben, sofern nicht eine individuelle Vereinbarung mit dem Arbeitgeber hierüber getroffen wurde. Denn: Einen gesetzlichen Anspruch auf das Arbeiten im Homeoffice gibt es nicht.

Wann kann der Arbeitnehmer das Arbeiten im Homeoffice verweigern?

Nicht jeder arbeitet gerne im Homeoffice. Zwar gibt es auch einige Vorteile, zum Beispiel die Zeit- und Kostenersparnis durch die entfallenden Fahrstrecken und eine gewisse Flexibilität. Doch wenn der Kontakt zu den Kollegen fehlt oder die Konzentration in den eigenen vier Wänden leidet, kommt vielleicht der Wunsch auf, wieder im Büro zu arbeiten.

Ob der Arbeitnehmer das Arbeiten im Homeoffice verweigern kann, kommt auf die individuelle Situation an. Hierbei ist unter anderem zu unterscheiden zwischen diesen Szenarien:

  1. Das Pandemiegeschehen schreibt Homeoffice vor
  2. Das Arbeiten im Homeoffice ist nicht im Arbeitsvertrag oder in einer Ergänzung geregelt
  3. Im Arbeitsvertrag oder einer Heimarbeitsvereinbarung gibt es Regelungen zum Homeoffice
Homeoffice verweigern - nicht jeder arbeitet gerne in den eigenen vier Wänden
Homeoffice verweigern - nicht jeder arbeitet gerne in den eigenen vier Wänden

1. Sonderfall: Das Homeoffice in Pandemie-Zeiten

Schreibt das Infektionsschutzgesetz das Arbeiten im Homeoffice vor, sofern keine wichtigen Gründe dagegenstehen und die Tätigkeit für die Heimarbeit (auch „Telearbeit“) geeignet ist, besteht grundsätzlich eine Pflicht, dies auch so umzusetzen. Im – aktuell nicht mehr gültigen – § 28 Abs. 4 IfsG – stand:

„Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“

Wichtige Gründe, die Arbeitnehmer gegen das Arbeiten im Homeoffice anbringen konnten, sind unter anderem räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder eine unzureichende technische Ausstattung.

2. Wenn das Homeoffice nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist

Wenn der Arbeitsvertrag kein Arbeiten im Homeoffice (oder auch „Heimarbeitsplatz“) vorsieht und keine ergänzende Heimarbeitsvereinbarung getroffen wurde, dann gilt der im Arbeitsvertrag definierte Arbeitsort. In einem Arbeitsvertrag sollte der Arbeitsort möglichst genau festgehalten werden, zum Beispiel mit der Formulierung „Der Arbeitsort ist…“ oder „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsleistung am vereinbarten Arbeitsort anzubieten. Ist kein gesonderter Arbeitsort vereinbart, ist dies der Dienstsitz des Arbeitgebers.“.

Was aber, wenn dort kein Ort festgelegt ist? Steht kein Arbeitsort im Arbeitsvertrag, kommt das sogenannte Direktionsrecht zur Anwendung. Dann kann der Arbeitgeber den Arbeitsort nach billigem Ermessen bestimmen – das bedeutet, er muss auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. § 106 der Gewerbeordnung lautet dazu:

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“

106 Gewerbeordnung

Doch kann aus dem Direktionsrecht auch eine Pflicht für das Homeoffice abgeleitet werden bzw. kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig ins Homeoffice verweisen?

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat im Jahr 2018 entschieden: Nein (Urteil vom 14. November 2018, 17 Sa 562/18).

In dem Fall wurde, vereinfacht zusammengefasst, ein Ingenieur vom Arbeitgeber gekündigt, nachdem die Betriebsstätte aufgelöst wurde und der Ingenieur vom Arbeitgeber ins Homeoffice gesandt wurde. Dieser verweigerte das Arbeiten im Homeoffice, woraufhin er gekündigt wurde. Der Arbeitnehmer reichte eine Kündigungsschutzklage ein – und hatte vor Gericht Erfolg. Im Urteil steht (Auszug):

„Die Umstände einer ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen. Der Arbeitnehmer verliert den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit, sich mit ihnen auszutauschen, wird deutlich verringert. Auch werden die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend. Der Arbeitnehmer ist für die betriebliche Interessenvertretung und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften schwerer erreichbar. Dass Arbeitnehmer gleichwohl z. B. zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, ändert nichts daran, dass diese Form der Arbeit einem Arbeitnehmer in aller Regel nicht einseitig von dem Arbeitgeber zugewiesen werden kann.“

Auszug aus dem Urteil 17 Sa 562/18 vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Da sich die Arbeit im Homeoffice also erheblich von der Arbeit im Betrieb vor Ort unterscheidet, findet § 106 Gewerbeordnung bei einer einseitigen Bestimmung des Arbeitgebers in Bezug zum Homeoffice seine Grenzen.

Sofern sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber absichern möchten, sollte deshalb der Arbeitsort und die Möglichkeit zum Homeoffice in einer schriftlichen, beiderseitigen Vereinbarung getroffen werden. Ist im bestehenden Arbeitsvertrag kein Homeoffice vorgesehen, so muss ein bestehender Arbeitsvertrag deshalb aber nicht geändert werden. Eine Heimarbeitsvereinbarung kann den Arbeitsvertrag – auch befristet – ergänzen.

Bei einer solchen Heimarbeitsvereinbarung unterstütze ich Sie als Fachanwalt für Arbeitsrecht gerne. Eine solche Vereinbarung kann unter anderem Regelungen zu Arbeitszeiten und der Zeiterfassung, zum Arbeitsort, der Erreichbarkeit, der Einrichtung und Ausstattung des Homeoffice, dem Zugangsrecht des Arbeitgebers, zur Gültigkeitsdauer der Vereinbarung etc. beinhalten. Diese Themen sollten individuell auf die Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten werden.

3. Im Arbeitsvertrag oder einer Heimarbeitsvereinbarung gibt es Regelungen zum Homeoffice

Im Arbeitsvertrag können Regelungen zum Homeoffice getroffen werden. Dann muss laut Arbeitsstättenverordnung auch die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitens im Homeoffice bestimmt werden. Ist nichts im Arbeitsvertrag geregelt, können auch Regelungen im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung getroffen sein. Wichtig zu wissen: Ist im Arbeitsvertrag das Homeoffice als regelmäßiger Arbeitsort festgelegt, kann der Arbeitgeber dies nicht einfach zurücknehmen.

An die getroffenen Regelungen müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen halten.

Das Homeoffice muss für die Tätigkeiten geeignet sein
Das Homeoffice muss für die Tätigkeiten geeignet sein

Wann kann der Arbeitgeber Homeoffice verweigern?

Sofern das Infektionsschutzgesetz das Arbeiten in der Wohnung des Arbeitnehmers vorschreibt, kann der Arbeitgeber das Homeoffice nur dann verweigern, wenn die berufliche Tätigkeit nicht außerhalb des Unternehmens bzw. der Betriebsstätte durchgeführt werden kann. Bei dem Beruf muss es sich also um für das Arbeiten im Homeoffice geeignete Tätigkeiten handeln.

Vor allem betriebliche Gründe spielen für eine Ablehnung eine Rolle. Bei Tätigkeiten, die nicht für die Heimarbeit geeignet sind, zum Beispiel weil die Leistung per se an einer Betriebsstätte durchgeführt werden muss (Logistik, Maschinenbauer etc.) oder Tätigkeiten, die aufgrund des Datenschutzes nicht oder nicht ohne weiteres außerhalb der Betriebsstätte durchgeführt werden können, wird der Arbeitgeber auf eine Arbeit vor Ort bestehen.

Losgelöst vom aktuellen Infektionsgeschehen kann der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice verweigern, wenn im Arbeitsvertrag oder in einer ergänzenden Heimarbeitsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist, denn ein Recht auf Homeoffice gibt es nicht.

Ihr Anwalt für Arbeitsrecht in Viersen

Vereinbaren Sie einen Termin mit unserer Kanzlei für Arbeitsrecht in Viersen. Ich berate Sie zu Themen wie Home-Office, Regelungen im Arbeitsvertrag und Heimarbeitsvereinbarungen – aber auch zu Fragen im Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht.

Steffen Hahn

0 21 62 – 571 57 00
info@kanzlei-hahn.net

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